Achim Ripperger, Blütentiere, Holz, 2023
Ich freue mich, dass Achim Ripperger extra zur Vernissage von seinem frisch eröffneten Zweitatelier am Abtsdorfer See gekommen ist. Dort schafft er derzeit zehn riesige Großskulpturen zum Thema „Sich öffnen“ aus Holz für eine Schloss[1]Klinik, die junge Patienten mit Burn-Out sich wiederfinden lässt.
Ripperger hat sich gefunden, ist angekommen! Ursprünglich visuelle Kommunikation studiert – schon als Kind hat er gezeichnet und auch heute noch den Zeichenblock immer dabei – kam er als erfolgreicher Werbe-Designer irgendwann an den Punkt, wo nichts mehr ging. Immer unter Vollgas als Kreativer für andere alles zu geben, bedeutete für ihn 2007 unerwartet das Ende seines ersten Lebens. Er klagt nicht und meint: „Ich habe mich selbst da hingebracht, aber nun fange ich an aufzublühen und bin endlich bei mir selbst angekommen.“
Dies zeigen seine Blütentiere aus unterschiedlichen Hölzern: Eiche, Ahorn, Buche. Mit einer malerischen Skizze präsentierte er mir seine Idee speziell für diesen Ort. Ich war sofort begeistert. Seit 2008 lebt er als freischaffender Künstler und entdeckte für sich das Material Holz vor ca. acht Jahren.
Mit der Kettensäge zieht er Striche in den Holzblock – wie als Zeichner bei einer Skizze. Er probiert sich aus, sucht nach seiner ganz persönlichen Perfektion – immer mit der Frage „Kann ich noch konsequenter werden“. Dabei geht es mehr um seine innere Haltung als um das äußere glatte „Schöne“.
Die Beine seiner Schafe hat er grob angeschraubt und versucht nicht, dies zu kaschieren. Am Ende fasst er seine Skulpturen weiß, lässt die wasser-verdünnte Farbe bewusst herunterlaufen. Für ihn ist dieser Prozess wie „Salat abschmecken“. Die zweite Haut in ihrem reinem Weiß ist unschuldig schön, göttlich und reflektiert das Blau des Himmels.
Darin liegt seine Handschrift. Und: Jedes Schaf hat seinen eigenen Charakter. Das Mutterschaf ist in einem eingefrorenen Moment der Wachsamkeit eingefangen, nimmt alles ganz lebendig wahr, denkt nicht mehr, ist ganz Natur. Wenn ihr der Lebensodem eingehaucht würde, würde sie sieben Sekunden stehen, dann weiter grasen …
Direkt neben ihr steht ihr jüngstes Blütenschäfchen: schaut unschuldig in die Welt, nimmt noch nicht alles wahr; daher passt die Mutter auf.
Zwei andere Geschwister erkunden die Welt. Das eine grast im Boden, das andere schaut in die Äste.
Merken Sie etwas? Wir sind im Paradies… Es ist keine Utopie, sondern kann im Hier und Jetzt erfahrbar werden. Rippergers Suche nach dem Paradies ist ein zentraler Gedanke in seinem Werk – schon in seinem Edenmenschen-Zyklus, über den das Hessenfernsehen berichtet hat, als er 2021 im Botanischen Garten Frankfurt zu sehen war. Derzeit läuft noch eine Schau mit seinen Werken im Palmengarten.
Ripperger ist nicht kirchengebunden gläubig, aber durchaus spirituell überzeugt, dass es ein Arkadien geben kann, ein irdisches Paradies, in dem Kunst und Natur miteinander verschmelzen.
Die Blütentiere heben schon im Namen die Trennung zwischen pflanzlicher Natur und tierischen Lebewesen auf. Den Ganzheitscharakter alles Seins unterstreicht zudem die künstlerische Bearbeitung: Nicht nur schön anzusehen, sind sie bewusst lebende Skulpturen durch ihre versteckten Brutstätten für Insekten oder andere kleine Tiere und spiegeln Rippergers Auseinandersetzung mit dem Klimawandel wider.
Ripperger schätzt am Material Holz, dass es sich stets verändert. Auf der nassen Wiese kann es anfaulen, bietet derart einen erneuten Lebensraum für Bodentiere. „Selbst wenn der Erlenbach bei Überschwemmung ein Schäfchen holen würde, dann ist das halt so…“ meint er. Und in den gefächerten Blütenmäulern können sich wunderbar Insekten einnisten.
Die Blütentiere zeigen uns: Wenn wir uns als Teil des Ganzen, der Großartigkeit der Schöpfung und der Natur begreifen, sind wir in Arkadien angekommen: Nur wer sich der Welt öffnet, kann inneren Frieden finden und für äußeren sorgen.
Enden möchte ich mit Rippergers eigenen Worten zu diesem Ort, der mich besonders berührt hat: Schon immer fand er die Auenkunst „toll“, wollte mit seinen Werken ein Teil davon werden. Allein der Name beinhalte Magisches für ihn und rief sofort Assoziationen nach Elfen und ähnlichem hervor. Deshalb wollte er etwas schöpfen, dem dieser Zauber innewohnt, sozusagen etwas „Wunderland-Mäßiges“. Dies ist ihm mit diesen märchenhaften Mischwesen gelungen