Karl-Heinz Sehr (Charly Sehr), Chronos und Kairos, 2013, Eichenholz
Mit Karl-Heinz Sehr haben wir in der Aue einen Mitinitiator des ersten Oberurseler Bildhauer-Symposiums, das im Jahr 2009 stattfand.
«Chronos und Kairos» ist neben Planz‘ Bewegstein eine weitere Skulptur aus dem dritten Bildhauersymposium 2013, die nun von Oberursel nach Bad Vilbel gekommen ist und hier »neue Perspektiven« eröffnet.
»Chronos« – Gott der Zeit bzw. Sinnbild für den Ablauf der Zeit / Lebenszeit – und »Kairos« – die Flüchtigkeit des Augenblicks bzw. der günstige Zeitpunkt einer Entscheidung oder der entscheidende Moment: Wir kennen das alle: den schicksalhaften Moment – zwei abstrakte Begriffe, die Sehr versucht, in einer dreidimensionalen Chiffre, ähnlich einem japanischen Kanzi, zu fassen. Hier steht er ganz in der Tradition des Kunststrebens nach 1945, versuchte doch schon Willi Baumeister in seinen malerischen Serien, z. B. Han-I, die existentiellen Grundbedingungen des Menschen bildlich in einem Zeichen zu fassen, das unmittelbar dem Betrachter zugänglich ist.
Schon als Kind hat Sehr sich, als er vom 4. bis zum 10. Lebensjahr in Gips ans Bett gefesselt war, mit den Fragen des Seins und Werdens beschäftigt und versenkt sich in solche Fragen noch heute beim Yoga und vor allem in seinen Skulpturen.
Er hofft, dass die energetischen Strömungen seiner Skulptur, d. h. geheimnisvolle Kräfte, die auf uns einwirken und unser Leben maßgeblich beeinflussen, beim Betrachter seiner Objekte ihre Wirkung entfalten.
Auf welche Art und Weise gelingt ihm dies – formal und künstlerisch?
Zunächst erarbeitet der Künstler ein verkleinertes Handmodell, erwählt dann in einem nächsten Schritt krumm gewachsene Eichenbaumstämme, hier fünf an der Zahl, die möglichst schon einen gewünschten Biegungsradius aufweisen. Damit fällt es dem Künstler leichter, natürliche Rissbildungen beim Bearbeiten mit der Kettensäge und mit Beiteln kalkulieren und einbeziehen zu können.
Die Spuren der Bearbeitung lässt er größtenteils sichtbar und stellt sie in Kontrast zu einigen geschliffenen, glatten Oberflächen.
Die zwei diagonal kreuzenden Stämme symbolisieren die «Zeitschienen». Sie stehen zwischen zwei Eckpfeilern, treffen also in diesem «Zeitfenster» aufeinander. An ihren jeweiligen Endstücken streben sie wieder in die Sphären eines imaginären unendlichen Zeitgeschehens.
Die eingelassenen kreisförmigen Markierungen spiegeln Lebenszyklen wie Jahreszeiten, Wochen oder Monate. Bewusst sind sie in den Stamm gefügt, der mit seinem individuellen Wuchs eine bestimmte Lebenszeit verkörpert (der seine Brüche u. ä. aufweist).
Über dem abgesteckten Zeitfenster schwebt ruhig und still eine Kugel – Symbol konzentrierter Vollkommenheit in einem Augenblick. Der entscheidende Moment, der hereinschwingt – die gebogenen Schwünge unter der Kugel lassen uns dies unmittelbar gewahr werden.
Gleichzeitig trägt die Kugel aber auch das flüchtige Bewegungspotential in alle Richtungen in sich.
Durch die bewusste Anordnung und Rhythmisierung dieser Spannungsbögen erzeugt der Künstler Schwingungs- und Kraftfelder. Somit entwickelt die Skulptur über den statischen Eindruck einer Momentaufnahme hinaus eine expressive, raumgreifende Dynamik, von der sich Sehr eine energetisierende Wirkung erhofft.
Nun können Sie als Betrachter Ihre Empfindungsebenen und persönlichen Deutungen im Dialog mit dem Kunstwerk einbringen und diese gedanklich weiter entwickeln.
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Karl-Heinz Sehr | Kunstpädagoge und freischaffender Künstler Neuhausstraße 38 | 61440 Oberursel
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Youtube: «Natur und Kunst im Dialog» – Der Künstler Karl-Heinz Sehr