Clemens M. Strugalla: Beobachtender, Bronze 1978/2019
Letztes Jahr stand hier die „Apfelessende“ desselben Künstlers aus Sandstein. Wohl durch Vandalismus in Mitleidenschaft gezogen, haben wir sie mit dem Beobachtenden von 1978/2019 aus Bronze ausgewechselt. Was gut passt, gab es doch auch von der Apfelessenden zwei Abgüsse in Bronze. Vom Beobachtenden existierten zunächst nur zwei kleine Torsi, bis der Künstler letztes Jahr erstmalig eine Bronze gießen ließ. Beim Wachsausschmelzverfahren bearbeitete Strugalla die Gussnähte und Feinheiten nach – und kämpfte mit der Hitze …
Beim Beobachtenden handelt es sich um eine relativ frühe Arbeit, bei der noch das Studium und Gestalten von Aktfiguren nach dem lebenden Modell nachwirkt. Strugalla hat sich zu dieser Zeit intensiv mit der klassischen Figur auseinandergesetzt, was sich auch im Kontrapost zeigt. Zur Entstehungszeit war Strugalla Assistent in der Architekturabteilung der TU Braunschweig für Modellieren und Aktzeichnen. Danach hat er nie wieder nach dem Modell gearbeitet, sondern immer frei. Die Grundidee seiner Werke zeigt sich schon hier: Die Untersuchung widersprüchlichen Verhaltens. Ich erinnere nur an die weibliche Figur „Im Begriff aufzustehen“, die vor der privaten Villa Giersch am Mainufer steht. Bei unserem Beobachtenden hält am Rücken die eine Hand die andere fest und spiegelt so eine potentielle Aktivität: Schaue ich erst oder mische ich mich doch ein?, scheint sich der Dargestellte zu fragen.
Ähnlich seinen zahlreichen anderen Menschendarstellungen fängt Strugalla eine innere Einstellung des Dargestellten in der äußeren Form ein: z. B. in seiner Haltung und schafft damit kein Abbild, sondern eher Momentaufnahmen innerer Einstellungen. Hier das kontemplative Beobachten der Natur, der Mensch in noch unschlüssiger Haltung, völlig in eins mit ihr. Schon allein durch die Natürlichkeit der Nacktheit, die klassisch geprägt und alles andere als voyeuristisch ist. Strugalla stellt sich hier in die positive Tradition des Menschenbildes und vergegenwärtigt den Entwicklungsstrang seit der Antike, über die Lebensreform bis heute.
Nicht nur thematisch, sondern auch bearbeitungstechnisch sind Strugallas Werke grundsätzlich sehr körperlich. Strugalla ist wichtig, dass er seinen Körper bei der Arbeit spürt.