Mehmet Güler: Die Sitzende, Cortenstahl + Die Freiheit (Stehende), Edelstahl, 2016/2017
Mit Mehmet Güler freue ich mich, einen der angesehensten und erfolgreichsten unter den zeitgenössischen Künstlern türkischer Abstammung für die Auenkunst gewonnen zu haben. Sein Ölgemälde „Genuss der Hitze“ hängt seit dem Jahr 2020 in der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages; weltweit hat er über 200 Einzelausstellungen zu verzeichnen. Im Jahr 2019 haben Sie vielleicht die erfolgreiche Ausstellung LEUCHTKRAFT in der documenta-Halle in Kassel besucht.
Kassel ist seit 1977 – dank eines Auslandsstipendiums des türkischen Erziehungsministeriums und einer Empfehlung eines deutschen Diplomaten – der Lebensmittelpunkt des in Anatolien geborenen und an der Gazi-Universität in Ankara ausgebildeten wie lehrenden Malers, Grafikers und Dozenten. Ich empfehle die Autobiographie „Vergangenheit in der Sonne“ des seitdem freischaffend tätigen Künstlers, die eindringlich den langen und mühseligen Weg aus seiner anatolischen Heimat in die Welt der Kunst und der Malerei beschreibt.
Für uns ein Glücksfall: Seit 2002 erschafft Mehmet Güler auch Skulpturen aus Holz und Metall, die der Kunstjournalist Dirk Schwarze in den „Grenzraum zwischen Natur und Skulptur“ verortet.
Seine Werke, egal ob Grafik, Zeichnung, Malerei oder Skulptur, sind Zeugnisse eines interkulturellen Schaffens, das in der Auseinandersetzung mit den Menschen und den Daseinsbedingungen ein zentrales Thema gefunden hat. Niemals schafft Güler Abbilder, sondern Sinnbilder, wie hier bei unserer Sitzenden und dieses Jahr neu hinzugekommen, der Stehenden, die in Kontemplation begriffen sind und meiner Meinung nach keinen schöneren Aufstellungsort hätten finden können als hier mit Blick auf den Erlenbach bzw. in die Aue hinein, beschützt durch das sanfte Rascheln der Baumblätter.
Unsere „Sitzende“ und „Stehende“ spiegeln zudem auf wunderbare Weise die künstlerische Entwicklung Gülers: Sie ruft die malerischen Arbeiten der 1970er und 1980er Jahre in Erinnerung, bei denen dunkle verschleierte, fast ausnahmslos weibliche Gestalten fast monumental aus dem Boden wachsen.
Schweigend, unbeweglich und ihrem Schicksal ergeben, umgibt sie eine Aura der Einsamkeit. Damals verneigte sich Mehmet Güler vor den Frauen Anatoliens, vor den Müttern, die Leben, Schutz und wärmende Liebe verheißen. Ab den 1980er Jahren reduzierte Güler immer mehr die menschliche Gestalt, löste sie aber niemals in Gänze auf. Im graphisch-malerischen Werk des Heute lassen sie sich manchmal nur noch erahnen, so dass ihr Vorhandensein einer Aufforderung gleichkommt, die zurückhaltend angelegte Figur zu vollenden und den Kontext ihrer Darstellung zu entschlüsseln.
Nichts anderes tut unsere „Sitzende“ und neu seit diesem Jahr in diagonaler Blickrichtung die „Stehende“ aus Edelstahl: Die Balance haltend zwischen Gefühl und Verstand, wartet sie darauf, von Ihnen dechiffriert zu werden. Im Gegensatz zu „Corona“ entschleunigt sie uns auf eine positive Weise und lädt uns ein, inne zu halten, über das Wesentliche im Leben nachzudenken; kurzum: die „Seele zu entfalten“