Massenheimer Auenkunst

Wanda Praschke: Heldinnen

Wanda Pratschke: Heldinnen, Bronze, schwarz patiniert, weiße Ölfarbe / Gold

Wanda Praschke


Zahlreiche volumenbasierte Liegende hat die 1939 in Berlin geborene Frankfurter Künstlerin Wanda Pratschke geschaffen – wie die Große Liegende, die sich heute im Garten der Dienstvilla des Hessischen Ministerpräsidenten in Wiesbaden befindet oder „Die Unbesiegte“, die jüngst auf dem Campus Westend der Goethe-Universität dank des maßgeblichen Engagements Prof. Wilhelm Benders aufgestellt werden konnte.

Unsere zwei Heldinnen besitzen zwar nicht die Leibesfülle, die sonst Wanda Pratschkes Figuren eigen sind, dennoch sind sie typische Zeugnisse ihres Schaffens: Wanda Pratschke liefert mit ihren weiblichen Aktfiguren Gegenbilder des klassischen Aktbildes in der männlich dominierten Kunstgeschichte. Nicht als „Akte“, sondern als „Nackte“ bezeichnet Pratschke ihre unaufdringlichen, doch höchst präsenten Plastiken. Sie sind im Einklang mit der sie umgebenden Natur, die sinnlich wahrnehmbar ist und gehören nur sich selbst – wie Wanda Pratschke. Als Schülerin von Willi Schmidt am Städel zeichnet sie die Vorliebe für die menschliche Gestalt aus. Der Blick und die Interpretation auf den weiblichen Körper ist allerdings die einer Frau: Sie greifen nicht expansiv durch Gebärden oder dynamische Achsen in den Raum hinein. Im Gegenteil: Die aufrecht stehenden weiblichen Körper existieren unverrückbar und harmonisch in ihrer klaren Silhouette und haben die Arme über der Brust verkreuzt. Sie sind nicht auf ein voyeuristisches Gegenüber angelegt, nicht sinnlich-erotisch im klassischen Sinn, noch andersweitig ideologisch aufgeladen. Pratschkes zwei
Heldinnen ruhen in sich, fühlen in sich hinein. Ein geerdeter Ansatz, der einen besonderen Aspekt der Weiblichkeit sichtbar macht und hier inmitten der paradiesischen Natur der Erlenbach-Aue einen idealen Rahmen findet. Die Heldinnen verweigern sich gängigen Schönheitsidealen, die reibungsfrei, glatt und fantasielos sind. Sie sind ein Gegenpol zur „makellosen“ weiblichen Schönheit. Gerade darin liegt ihr Heldentum und das ihrer Schöpferin Wanda Pratschke. Die Oberfläche bzw. „Haut“ ihrer Heldinnen wirkt dick, borstig und rätselhaft: Kein Durchdringen scheint möglich. Aber gerade in der errungenen Einfachheit und Dichte stellen ihre weiblichen Figuren einen hohen ästhetischen Genuss dar. Man merkt jeder ihrer Nackten die Lust am plastischen Modellieren an. Als Teil des Werkes bleibt der Arbeitsprozess sichtbar. Ein langer Suchprozess geht voraus: Der Weg zur dreidimensionalen Figur beginnt mal mit einer Zeichnung, mal mit einem modellierten Modell aus Ton oder Wachs oder Styropor. Bei unseren Heldinnen hat W. Pratschke zunächst ein Eisengerüst angelegt. Dann dünne Styropor Platten zum Füllen benutzt sowie Ton. Schließlich kommen Gipsplatten mit flüssigem Gips als nächster Schritt hinzu.


Seit dem Jahr 2020 arbeitet die Künstlerin bevorzugt mit Gips, der reizvolle neue Kombinationen eröffnet: Einerseits das plastische Modellieren, d.h. das Hinzufügen UND andererseits das Entfernen, das Bild-Hauern – überflüssige Teile werden demnach wieder weggeschlagen. Daraus entstehen Bruchkanten, glatte Flächen und Grate. An anderen Stellen fügt Pratschke im Laufe des Entstehungsprozesses bei Bedarf Volumina hinzu. Die Figuren sind also einem langen Prozess des Wachsens und Verschwindens unterworfen. Dabei kommt das äußere mit dem inneren Bild in Einklang. Schlagspuren und Gipströpfchen durch flüssiges Gips bleiben stehen. Beim Auftragen des flüssigen Gipses ist höchste Konzentration erforderlich. Wanda Pratschke passt auf, dass nicht alles verwässert. Damit die Oberfläche nicht zu hart wird, arbeitet sie dennoch gerne mit flüssigem Gips, das die „Haut“ weicher werden lässt. Ein stetes Beobachten aus allen Winkeln ist unbedingt bei diesem Arbeiten erforderlich.


In der Gießerei Hettinger in Mainz-Kastell lässt Wanda Pratschke schließlich eine Silikon-Form von ihren Heldinnen erstellen, aus dem das Wachsmodell entsteht. Dieses wird von ihr vor der Einformung in einer Gips-Schamott-Mischung nochmals retuschiert. Nicht als Ganzes erfolgt dabei die Einformung, sondern in zwei Teilen, da die Beine sonst zu dünn wären. Nach dem Wachsausschmelzverfahren (=verlorene Form) und Trocknung im Ofen, verbraucht die getrocknete Form viel Bronze. Nach dem Auspacken und Abstrahlen werden die Teile sauber zusammengeschweißt und danach tiefschwarz patiniert. Die weiße Heldin erfährt schließlich noch eine Sonderbehandlung: Zunächst streicht Pratschke sie mit hautfarbener Ölfarbe ein, dann noch einmal mit Titanweiß (ein weißeres Weiß als normal). Dann mit Kremser-Weiß (eigentlich hochgiftig), mischt etwas Pigment hinein, damit das Weiß gebrochen wird und behandelt ein paar hervorstehende Pünktchen mit Goldblättchen, nachdem sie sie zuvor noch mit einer Emulsion bestrichen hat. Auch bei der schwarzen Heldin sehen Sie Goldplättchen. Im Laufe der Zeit könnten sie durch Verwitterung nachdunkeln. ein Problem: Sie können nachbehandelt werden. Nun sollen sich die Heldinnen erst einmal den Raum ehmen, den sie brauchen. Definitiv lassen sie uns weibliche positive Präsenz spüren.

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Kontakt:
Wanda Pratschke | Bildhauerin
Privat: 60314 Frankfurt | Friedberger Anlage 3c
069 445343
Atelier: 60385 Frankfurt | Ostparkstraße 47
0177 7987904
wanda-pratschke1@t-online.de | skulpturen-wanda-pratschke.de

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Text: © Dr. Astrid von Luxburg
www.kultur-erlebnis.de
Idee, Fotos und Gestaltung:
Klaus Knorr
Audioguide: Friedemann Kuhl
IT-Unterstützung: Adrian Knorr
Kontakt: info@kpknorr.de

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