Markus Bäcker (Lilau), Struktur, Palissandro Marmor, 2021, H 230 cm:

Wer im rheinland-pfälzischen Oberen Glantal schon einmal am malerischen Ohmbachsee war, kann seit dem Jahr 2015 faszinierende Skulpturen des Künstlers Lilau entdecken. Hinter ihm verbirgt sich Markus Bäcker, der dieses Herzensprojekt mit der Verbandsgemeinde Oberes Glantal initiiert hat.
Er wollte etwas seiner geliebten Heimat zurückgeben, die er landschaftlich zutiefst schätzt. Durch die dortige Skulptur „Heimat“ aus pfälzischem Buntsandstein fällt der Blick durch einen „Rahmen“ auf den See und soll zeigen, wie schön dieses Stück Erde ist, was ich nur unterstreichen kann.
Eine weitere 3 m hohe Skulptur „Elemente“ aus dem hellen französischen Kalkstein „pierre de soleil“ (Metz) mit vielen Öffnungen nimmt den Dialog mit dem See auf ihre Weise auf: Sie erinnert mit ihren vielen Öffnungen an Wasser, das durch seinen stetigen Fluss den Stein höhlt und formt.
Desweiteren steht am Skulpturenpfad des Ohmbachsees die 4 m hohe „Struktur“ aus Eiche. Markus Bäcker hat sie aus einer 180 Jahre alten Eiche herausgearbeitet, die am Ohmbachsee stand, aber weichen musste. In transformierter Form kehrte sie an ihren Standort zurück und spiegelt das „Panta Rhein“-Prinzip des Lebens wider, das auch den Künstler prägt: Alles fließt, alles ist wandelbar wie das Leben. Eine Einsicht, die seit dem antiken Philosophen Heraklit viele Künstler bewegt.
Auch unsere Skulptur heißt „Struktur“, ist allerdings nicht mehr aus Eiche, sondern aus PalissandroMarmor extra für die Aue geschaffen. Wir zeigen damit eine Premiere, wenn sie namentlich auch Teil einer Serie ist – ein typisches Merkmal der Moderne als auch der Arbeitsweise des Künstlers: Bäcker arbeitet gerne in Serie in unterschiedlichsten Materialien.
Holz und Stein habe ich schon erwähnt. Metall gehört ebenso dazu. Doch hier will ich noch nicht zu viel verraten, da wir vielleicht im nächsten Jahr eine Arbeit aus der Serie der „Blast“-Experimente in der Aue wiederfinden werden, in der der Künstler den massiven Stahl einer hohen Sprengstoffladung aussetzt.
Trotz dieser extremen Einwirkung entsteht daraus im Ergebnis eine sehr reduzierte anmutige Form… Markus Bäcker hat das Glück, dass er in völliger Freiheit gestalten kann – existentiell ist er nicht auf die Verkäufe seiner Werke angewiesen; dennoch sind sie europaweit verkauft mit Schwerpunkt in Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Regelmäßig ist er zudem auf der Art Karlsruhe vertreten.
Gänzlich frei arbeiten und denken zu dürfen, sind die Grundbedingungen seines Schaffens. Er lebt in seinem Atelier am Ohmbachsee, hat sein eigenes Wäldchen vor der Haustür, aus dem er das Material seiner Holzskulpturen gewinnt.
Faszinierend ist, wie sich „Lilau“ in die Materialien seiner Werke einfühlt. Unser Stein ist schwer, wirkt aber unheimlich leicht durch die Bearbeitung. Stein ist dabei nicht gleich Stein. Jeder Stein gibt seine Form in gewisser Weise vor. Marmor zeigt im Gegensatz zum offenporigen Sandstein erst am Ende seine facettenreiche Schönheit. Und obwohl beide ähnliche Härtegrade aufweisen können, hat der Marmor seine ganz eigene Haptik. Der Palissandro Marmor ist zudem noch hochwertiger als andere Marmorarten, da er vor ca. 530 Millionen Jahren extrem hohen Temperaturen und Druck ausgesetzt war und infolge der Kontaktmetamorphose zu einer Masse aus kristallgebundenem Kalzitmarmor verschmolzen ist.
Die Aufstellung des Steines in der Aue ist ideal. Wird doch der Einfall von Licht und Sonne, Schatten und Nässe die jeweils eigene Seite des Palissandro Marmors nochmals verstärken. Typisch für diesen Marmor sind bräunliche oder graue Verfärbungen, die sich in feinen geschwungenen Linien zeigen.
Zunächst löst der Stein daher von Ferne Assoziationen an den Verpackungskünstler „Christo“ aus. Bei näherem Hinsehen zeigt sich die Art, wie die Teile eines Ganzen, die Elemente eines Systems miteinander verknüpft sind.
Hier kann man an Strukturprinzipien des Lebens denken: Wir sind alle Teil eines Ganzen, stehen in gewisser Weise in Relation zueinander. Der innere Aufbau, die Gliederung eines Ganzen ist dabei für die Organisation eines Systems bzw. Gemeinwesens entscheidend – sei es im Beruf, in der Schule, im Kindergarten, in der Ehe und Familie. Man kann diese Gedankengänge bis zur Rente weiterspinnen. Am Ende steht der Tod; daher sollte am Anfang die Frage stehen, was will ich aus meinem Leben machen?
Lilau nennt die genannten Lebensbereiche „Gesellschaftliche Blöcke“. Diese treffen auf die Freigeistigkeit, die in einem jeden Individuum gegen diese Strukturen ankämpfen will; und dies einmal mehr oder weniger „aufrührerisch“.
Die Struktur stellt Lilau durch die niemals formgleichen Quader dar. Diese Quader treffen auf die mäandernde äußere Form, die die Freigeistigkeit als „Antidot“, als Gegenmittel gegen das gleichmachende „Gift“ darstellt. Ein diffuses Gefühl stellt sich ein, das durch die farbliche Linienführung verstärkt wird, die dem Stein eigen ist.
Der Appell des Künstlers lautet: Habe Mut zum freigeistigen Denken – trotz aller Struktur, die das Leben in ein Korsett zwängt…