Herbert Mehler: Asparago, Cortenstahl, 2018

Herbert Mehler dürften die meisten von Ihnen von der Ausstellung „Wachstum – Körper – Raum“ auf dem Campus Westend kennen, die von Mai 2021 bis Juli 2022 18 monumentale Skulpturen des Künstlers zeigte. Der 1949 in Steinau geborene, international angesehene Künstler hat mit seiner Künstlerehefrau Sonja Edle von Hoeßle aus dem Erbachshof in Eisingen unweit von Würzburg einen Atelier- und Skulpturengarten geschaffen, in dem er wirkt und alles hat, was das Metaller-Herz höher schlagen lässt. Dazu gehört eine perfekt ausgestattete 11 m hohe Werkstatthalle mit Laufkran, allen Werkzeugen zur Metallbearbeitung, Schutzgas- und Schweißgeräten, Flexen, Biege- und Kantmaschinen samt Gabelstapler.
Hier entstehen seine Skulpturen aus der Serie KAVEX, ein Wortspiel aus konkav und konvex, das auf seine V-artigen Lamellen verweist, die die Grundelemente seiner Cortenstahl-Skulpturen darstellen. Die Initialidee hierzu entstand zum Jahreswechsel 2000, als seine Frau ihm Marzipankartöffelchen in braunem gefaltetem Papier schenkte. Dies sollte man niemals einem Künstler geben. Nach dem Verzehr fing Herbert Mehler sofort mit dem Papier an zu spielen, war von den dreidimensionalen Möglichkeiten fasziniert und begann noch in der Nacht mit wegweisenden Zeichnungen für seine Metallskulpturen. In der Werkstatt machte er in einem ersten Schritt Modelle aus Pappe. Doch bereits im Frühstadium zeigten sich technische und handwerkliche Probleme: Selbst die größten Meister des Origami können keine Krümmungen biegen…
Mehlers „Asparago“ zeigt, dass er seine Handschrift gefunden hat, die nur er beherrscht. Er schneidet Metallplatten in einzelne Streifen mit dem Plasmaschneider, biegt sie dann in der Rundbiegemaschine konkav oder konvex. Dann heftet und verschweißt er von innen je eine linke und rechte Seite. Besonders langwierig erweist sich das Versäubern und Schleifen der Schweißnähte. Dafür ist ein besonderer Rhythmus vonnöten, vergleichbar mit dem richtigen „Mantra“. Die ständig wiederkehrende Herstellungsform erzeugt eine meditative, fast spirituelle Situation. Ein normaler Schweißer würde die Bruchstellen niemals erspüren. Mehler ist es wichtig, dass alles von der Idee bis zur fertigen Skulptur in seiner Regie bleibt. Dadurch kann er mit dem Stahl an seine Grenzen gehen, das für ihn das „lebende/überlebende“ Material bedeutet – im Gegensatz zum Holz, das verwittert und verfällt….
Womöglich auch in Abgrenzung zu seinem Vater, der Holzbildhauer war und dessen Kritik er sich zu Lebzeiten nicht aussetzen wollte. Deshalb studierte Mehler zunächst Malerei in Nürnberg und kam erst nach dem Tod des Vaters 1985 auf die Bildhauerei. Inspiriert zunächst von Joseph Beuys‘ Ideen und Umgang mit Materialien hat er in einer ersten künstlerischen Phase Werke aus natürlichen Materialien geschaffen. In der Folge auch mit Kontrasten aus Eisen und Gummi gearbeitet, bevor 2000 seine neue Werkphase begann, die bis heute andauert.
„Asparago“ aus V-förmigen Lamellen rund um eine Achse symmetrisch angeordnet mutet teils organisch an, teils durch die Ebenmäßigkeit und gleichmäßigen Strukturen aber wie Gebilde aus einer anderen Welt. Dies macht den Reiz aus. Assoziationen zu pflanzlichen Elementen sind gewollt und direkt von der Natur inspiriert. Dennoch ist die Skulptur ein künstliches Gebilde, das von Ferne wie ein alter Baum Ewigkeitscharakter zu besitzen scheint und aufgrund ihrer Größe (hier haben wir eine kleine Variante der größeren Schwestern…) fast abwehrend wirkt. Je näher man kommt, desto weicher wird das Gegenüber. Dies liegt an der Oberfläche: Cortenstahl hat die faszinierende Eigenschaft durch Bewitterung eine Schutzschicht aus Phosphaten und Sulfaten zu bilden, die eine weitere Korrosion verhindern. Dieses Verhalten ist allen „Lebewesen“ gleich: Die äußere Hülle schützt jeden Organismus vor schädlichen äußeren Einflüssen. Oft sind Organismen auch in der Lage, sich an Änderungen dieser Einflüsse anzupassen. Wir schützen uns durch unsere Haut ebenso vor Hitze. Wie ein organisches Lebewesen wächst der Asparago aus dem Pflanzenreich. Gleichzeitig besitzt er eine erhebliche Dynamik – ein vorherrschendes Merkmal von Organismen und Ökosystemen, die niemals still stehen, sondern sich immer weiter entwickeln. Die Natur kennt fast keine konstanten Bedingungen. Stillstand wäre Tod.
Derart laden Mehlers Skulpturen zum gesellschaftlichen Diskurs ein, wie Mensch und Natur zueinander als Teile der Diversität stehen und miteinander umgehen sollten. Der Appell könnte lauten: Lassen wir Natur und Kunst sich entfalten, wachsen und gedeihen. Gerade die Corona-Krise hat uns zum Thema „Nachhaltigkeit“ vor Augen geführt, was Besonders fehlte: Theater, Museen, Opernhäuser, Kunst und darüber der persönliche Austausch sind wie unabhängige Wissenschaft und freie Meinungsäußerung Grundpfeiler der Demokratie.
Kunst erreicht uns auf emotionaler Ebene, was kaum mit den evidenzbasierten Forschungsergebnissen gelingt. Deshalb ist der Schulterschluss zwischen, Kunst, Wissenschaft und Forschung ein Muss. Daher bin ich froh, dass eine Dreiergruppe von Mehler auch dauerhaft auf dem Campus Westend verbleibt. Vielleicht findet sich auch ein Sponsor für unseren „Spargel“, damit der Dialog über die Natur als Inspiration für die Kunst sowie den Menschen als Teil der biokulturellen Vielfalt niemals abreißt.
______________________________________________________________________________
Kontakt:
Herbert Mehler
97249 Eisingen | Erbachshof 3
0170 2831640
www.herbert-mehler.com | herbert.mehler@yahoo.cde
______________________________________________________________________________
Text: © Dr. Astrid von Luxburg
www.kultur-erlebnis.de
Idee, Fotos und Gestaltung:
Klaus Knorr
Audioguide: Friedemann Kuhl
IT-Unterstützung: Adrian Knorr
Kontakt: info@kpknorr.de